Werkstatt

Eine Geschichte von der Idee bis zur Einweihung:

Im Frühling 2015 hatten wir keine eigene Werkstatt. Geschraubt wurde im Freien, auf dem Gelände des Menschenrechtszentrum. Fahrräder, Ersatzteile, und Werkzeug mussten größtenteils bei unseren Mitgliedern gelagert werden und zu jedem Treffen zum Menschenrechtszentrum und zurück transportiert werden. Nicht nur schlechtes Wetter im Frühjahr bis Herbst machte uns ab und zu einen Strich durch die Rechnung, auch Kälte und immer kürzere Tage im Winter zwangen uns dazu eine Winterpause einzulegen. Über kurz oder lang musste daher eine Werkstatt her.

Wie aus heiterem Himmel hat uns plötzlich Lorenz angesprochen, er studiere Architektur an der Uni Karlsruhe und musste mit seinen Kommilitonen Max und Michael eine Semesterarbeit entwerfen. Sie waren auf der Suche nach einem Projekt mit Realitätsbezug, welches zumindest eine kleine Chance hat umgesetzt zu werden. So haben sie uns vorgeschlagen, dass sie Entwürfe für unsere Werkstatt machen könnten. Los gings.

Die Entwürfe waren schnell gemacht, dennoch haben wir fast ein Jahr an den den Vorbereitungen zur Werkstatt gearbeitet. Insbesondere die Frage der Fläche und einer Baugenehmigung waren dabei lange Zeit unklar. Am Ende kam sogar Bürgermeister Obert zu einem Vor-Ort Termin und schließlich haben wir die Zusage von Fächer GmbH und Bauordnungsamt bekommen: wir durften auf dem Gelände vor dem Menschenrechtszentrum eine kleine Werkstatt als temporären Bau errichten dürfen.

Die Nähe zum Menschenrechtszentrum war uns wichtig. Hierhin kommen die Flüchtlinge jeden Dienstag zur Teestube, Beratung und Sprachkursen. Eine Werkstatt in unmittelbarer Nähe zu einer den Flüchtlinge vertrauten Atmosphäre und Umgebung schafft Vertrauen in uns.

Durch Preisgelder (z.B. den Ideenpreis "Im|puls Oststadt" des KIT Projektes Quartier Zukunft) und durch die tatkräftige Unterstützung unserer neuen Architekturstudenten-Mitglieder nahm unsere Vision einer eigenen Fahrradwerkstatt immer mehr Form an.
Ausschnitt - Stadtplan

Als Ausgangspunkt und Grundgerüst dient ein für knapp 100 Euro günstig angeschafftes Hochregal. Ein umsetzbarer Entwurf, welcher das Hochregal als Innengerüst nutzt, wurde von den Architekturstudenten schnell ausgearbeitet. Unsere Wunschvorstellungen der Werkstatt waren:
  • Abschließbar, um Werkzeug, Ersatzteile und Fahrräder lagern zu können.
  • Der Entwurf sollte umsetzbar und nicht zu teuer sein. Die Kosten sollten sich auf wenige tausend Euro beschränken.
  • Beheizbar und genug Platz um „indoor“ zur reparieren


Werkstattentwurf


Damit der Entwurf nicht so abstrakt klingt, haben wir eine gesamte Visualisierung wie das untere Bild erstellt. So sollte unsere Werkstatt an der angedachten Stelle auf dem Gelände des Menschenrechtszentrums aussehen. Eine PDF-Datei über das ganze Konzept können Sie hier herunterladen.
Die Visualisierung der Werkstatt mit Aussicht vor dem Menschenrechtszentrum vor dem Bau

Eine Ständige Herausforderung wurde die Lagerung des Baumaterials, das wir schon im März 2014 so günstig kaufen konnten. Gelagert wurde es in unseren privaten Kellerräumen, in einer Gartenlaube, in der Fleischmarkthalle des alten Schlachthofs und in den letzten Wochen mit den Spenden der Flüchtlingshilfe und in der Maschinenhalle des alten Schlachthofs. So waren wir neben der Konzeptionierung und dem Lobbying für die Baugenehmigung mit dem Transport mehrerer Tonnen Baumaterial ein Jahr lang gut beschäftigt.

Je mehr es Richtung Umsetzung ging und je konkreter die Planungen wurden, desto größer auch die auftretenden Probleme. Wie sollte unser tonnenschweres Hochregalgerüst auf dem unebenen Untergrund stehen, der uns zugewiesen wurde? Und wie sollen wir wissen, ob unsere Ideen taugen, wenn wir so etwas noch nie gebaut haben? Die Lösung stand Ende 2014 in Form von Sebastian vor uns. Er arbeite bei der Firma Hörig und könnte sich vorstellen, uns einen Stahl-Unterbau für die Werkstatt fertigzustellen. Im April 2014 kam Sebastian mit dem Unterbau zu unserer gerade eröffneten Baustelle und los gings.
 
Baubeginn: der Unterbau wird gerade aufgestellt
Ein intensiver Monat stand uns bevor, in dem fast jede freie Minute auf der Baustelle verbraucht wurde. Natürlich haben wir nicht nur die Planungszeit sondern auch die Bauzeit grandios unterschätzt. Parallel lief ja auch das Fahrradprojekt ganz normal weiter. Am ersten Tag sah man immerhin schnelle erfolge: das Gerüst stand bereits.
Irgendwann abends stand schließlich das erste Gerüst der Werkstatt..
In den folgenden Tagen und Wochen ging es dann (gefühlt) in etwas kleineren Schritten vorwärts. Unten ein paar Eindrücke.
Das Gerüst wurde mit Holzbalken und Querstreben stabilisiert.
Der Boden wird eingelegt


Irgendwann konnte das Dach festgeschraubt werden - gerade vor dem ersten großen Regen

Außenplatten vorbereiten für den Anbau
Letzte Feinheiten am Türrahmen
Nach gut einem Monat Arbeit, etlichen Abendterminen, vielen Wochenenden, Dutzenden abgenutzten Stahlbohrern, bestimmt 1000 Arbeitsstunden und viel Spaß war schließlich auch die Tür eingebaut und die Werkstatt bezugsbereit. Gerade rechtzeitig vor der Einweihungsfeier. Das Kulturfest des alten Schlachthofs, das Schwein Gehabt, hat sich als Anlass für die Einweihung so sehr angeboten, dass wir vorher überhastet eine Tür eingebaut haben um diese am Tag der offenen Tür gleich wieder öffnen zu können. Die Feier war ein großer Spaß, aber besonderes Vergnügen bereitete immer wieder das Betreten der Werkstatt. Dass sie da nun stand, nach so langer Vorbereitungszeit war immer noch schwer zu glauben, hatten wir zeitweise immer mal wieder die Hoffnung aufgegeben.
Einige Impressionen der Einweihungsfeier
Mitterweile ist die Werkstatt seit ein paar Monaten im Betrieb und gut gefüllt mit Werkzeug und Ersatzteilen. Die Größe, die unser Dienstagstreff und das Projekt mittlerweile erreicht haben hätten wir ohne Werkstatt nicht bewältigen können.
Die eingerichtete Werkstatt in Benutzung
Dieses Foto muss den Vergleich zur Visualisierung des Konzeptes oben nicht scheuen.
Klar, auch dieses Projekt wäre ohne die viele Unterstützung und die Freiwilligen niemals zustande gekommen. Da sind natürlich die Architekturstudenten, Lorenz, Max und Michael, aber auch Sebastian von der Firma Hörig, sowie all die Freiweilligen Helferinnen und Helfer auf der Baustelle (Laura, Rudi, Philipp, Jonas, Johannes, Paul, Christian, Jenny, Konrad, Matthias, Tobi, Tobi, Tobi und weitere). Ohne die breite Unterstützung im Menschenrechtszentrum wären wir nie zur Baugenehmigung gekommen (Danke an Selcuk, Catherine, Ulrike, Richard, Priska, Dankwart und weitere), aber auch ohne das Entgegenkommen der Fächer GmbH und die Flexibilität von Axel oder die Großzügigkeit von Gatyo hätte das nicht geklappt. Auch der Im|Puls Preis des Quartier Zukunft hatte sicher einen großen Beitrag am Gelingen. Danke euch allen!

Nachtrag:
Die Abrechnung aller Ausgaben für den Bau der Werkstatt gibt folgendes Bild. Wir haben insgesamt 4177 Euro ausgegeben. Die größten Posten waren dabei die Polycarbonatplatten für die Außenwände (2580 Euro),  Siebdruckplatten für den Boden (401 Euro), Firstbleche und Trapezbleche fürs Dach (419 Euro) und das alte Max Bahr Regal, welches uns als Gerüst für die Werkstatt dienst (96 Euro). Die restlichen 682 Euro gingen hauptsächlich für "Kleinigkeiten" im Baumarkt drauf.
Dem gegenüber stehen 7162 Euro für den Bau der Werkstatt gesammelte Spenden und Preisgelder. Davon entfielen 2000 Euro auf den Preis Impuls Oststadt des Quartier Zukunft, 2342 Euro auf die Crowdfunding Spendenplattform BetterPlace, 2750 Euro auf großzügige Privatspenden sowie 70 Euro auf den Kuchenverkauf bei der Einweihungsfeier.
In Summe konnten wir die Werkstatt dank der sehr erfolgreichen Spendensammlung ohne Schwierigkeiten finanzieren. Die Differenz kommt dem Projekt zugute und wird für die Beschaffung von Werkzeug und Ersatzteilen genutzt.